Bilanzkennzahlen: Formel, Übersicht und interpretation

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Wenn du wissen möchtest, ob ein Unternehmen finanziell gut aufgestellt ist, dann musst du Bilanzkennzahlen verstehen und auswerten können. Daran führt kein Weg vorbei.

Bilanzkennzahlen sind eigentlich leicht zu verstehen, aber am Anfang können die vielen Kennzahlen einen leicht überfordern.

Trotzdem solltest du dich mit ihnen beschäftigen, denn hast du dich einmal mit dem Thema etwas genauer beschäftigt, wird dir die Analyse von Bilanzkennzahlen in Zukunft sehr leicht fallen (wie du bereits später beim Beispiel merken wirst).

Das wirst du in diesem Ratgeber lernen:

Mann schaut sich Bilanzkennzahlen auf dem Laptop und auf Papier an

Was sind Bilanzkennzahlen? Kurze Definition

Die Bilanzkennzahlen (auch Bilanzkennziffern) werden den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zugeordnet.

Sie haben die Funktion, die wichtigsten Zahlen aus der Bilanz zusammenzufassen und sie in ein Verhältnis zueinander zu stellen.

Insbesondere im Vergleich mit Richtwerten (für die jeweilige Branche des Unternehmens) sind sie dann besonders hilfreich und ein wichtiges Instrument, um erste Schlüsse über die Finanzsituation eines Unternehmens zu ziehen.

Warum sind Bilanzkennzahlen wichtig?

Auswertung einer Bilanz

Wenn du dir eine Bilanz ansiehst, wirst du schnell feststellen, dass die einzelnen Posten der Bilanz nur eine geringe Aussagekraft haben. Sie fangen erst an "Sinn zu machen", sobald du sie zusammen brachtest.

Bilanzkennzahlen lösen genau diese Problematik, da sie die einzelnen Posten der Bilanz ins Verhältnis setzen.

Sie können dann für unterschiedliche Zwecke verwendet werden, sowohl intern als auch extern.

Intern

Intern werden sie in der Erfolgsmessung hauptsächlich im Controlling genutzt, um die aktuelle Lage des Unternehmens mit einer vorherigen Periode (meistens quartalsweise oder jährlich) zu vergleichen.

Weiterhin können sie auch in einem Soll-Ist-Vergleich verwendet werden, um das Unternehmen zu steuern.

Extern

Extern werden Bilanzkennzahlen genutzt, um die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens beurteilen zu können.

Das kann sinnvoll sein, um die Bonität, finanzielle Stabilität und die allgemeine Finanzierungslage eines Unternehmens beurteilen zu können.

Gerade Banken sind an diesen Zahlen interessiert, da sie für sie wichtig bei einer eventuellen Kreditvergabe sind.

Wirtschaftlich gesund

Zusammengefasst, können mit Bilanzkennzahlen bewertet werden, ob ein Unternehmen wirtschaftlich gesund ist.

In diesem Zusammenhang können sie auch genutzt werden, um Unternehmen miteinander zu vergleichen.

Sie kommen daher häufig auch bei der Fundamentalanalyse von Aktien oder nicht börsennotierten Unternehmen zur Anwendung.

Welche Bilanzkennzahlen gibt es?

Frau schaut sich verschiedenen Bilanzkennzahlen mit der Lupe auf einer Bilanz an

Im Allgemeinen werden zwischen vertikalen und horizontalen Bilanzkennzahlen unterschieden.

Bei vertikalen Bilanzkennzahlen werden nur Posten, die einer Seite der Bilanz zugeordnet werden, miteinander verglichen.

Klingt kompliziert, ist es aber nicht.

Ein Beispiel für eine vertikale Bilanzkennzahl ist etwa die Eigenkapitalquote, sie wird berechnet, indem das Eigenkapital in das Verhältnis zum Gesamtkapital (Eigenkapital + Fremdkapital) gesetzt wird.

Da alle Posten auf der Passivseite stehen, handelt es sich um eine vertikale Bilanzkennzahl.

Ganz einfach, oder?

Entsprechend gilt für horizontale Kennzahlen, dass sowohl die Posten der Aktiva als auch der Passiva berücksichtigt werden.

Ein typisches Beispiel dafür ist der Anlagendeckungsgrad 1 (auch Deckungsgrad 1), der das Verhältnis vom Eigenkapital (Passivseite) zum Anlagevermögen (Aktivseite) zeigt.

Im Folgenden findest du eine Übersicht zu den üblichen Bilanzkennzahlen.

Vertikale Bilanzkennzahlen (Kapitalstruktur)

  • Eigenkapitalquote

  • Fremdkapitalquote

  • Verschuldungsgrad

Vertikale Bilanzkennzahlen (Vermögensstruktur)

  • Umlaufintensität

  • Anlagenintensität

    • Anlagenintensität 1

    • Anlagenintensität 2

  • Einzugsliquidität

Horizontale Bilanzkennzahlen

Wichtige betriebswirtschaftliche Kennzahlen für Unternehmen

Bei der Analyse der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens reicht es nicht aus, dass du dir nur die Bilanzkennzahlen ansiehst.

Zum Beispiel lassen sich mit Bilanzkennzahlen keine Aussagen über die Ertragslage eines Unternehmens treffen.

Ein vollständiges Bild über die finanzielle Lage eines Unternehmens ergibt sich nur, wenn du dir auch die Erfolgskennzahlen, Finanzkennzahlen und ebenfalls die Rentabilitätskennzahlen ansiehst.

Gerade bei den Rentabilitätskennzahlen sind die Eigenkapitalrendite, Fremdkapitalrentabilität, Gesamtkapitalrentabilität und Umsatzrentabilität von Bedeutung.

Des Weiteren sollte auch der Cash Flow eines Unternehmens berücksichtigt werden, da dieser keine bilanziellen Gestaltungsmöglichkeiten zulässt.

Wie werden Kennzahlen der Bilanz berechnet?

Frau berechnet Bilanzkennzahlen mit dem Taschenrechner

Die Berechnung von Bilanzkennzahlen ist eigentlich sehr einfach.

Wenn du eine Bilanzkennzahl berechnen möchtest, musst du dafür nur die entsprechenden Werte der Bilanz in eine Formel einsetzen.

Im Folgenden zeigen wir dir anhand eines Beispiels, wie die Bilanzanalyse mit diesen Kennzahlen in der Praxis funktioniert.

Bilanzanalyse: Beispiel für die Berechnung von Bilanzkennzahlen

Für unser Beispiel gehen wir von einem hypothetischen Unternehmen aus, das folgende Daten in der Bilanz hat.

Aktiva

  • Anlagevermögen: 320.000 €

  • Umlaufvermögen: 180.000 €

  • flüssige Mittel: 110.000 €

  • kurzfristige Forderungen: 60.000 €

  • Wertpapiere: 5.000 €

  • sonstige Vermögensgegenstände: 5.000 €

  • Bilanzsumme: 500.000 €

Passiva

  • Eigenkapital: 195.000 €

  • Fremdkapital: 305.000 €

  • kurzfristige Kredite: 100.000 €

  • langfristige Kredite: 205.000 €

  • Bilanzsumme: 500.000 €

Eigenkapitalquote

Mit der Eigenkapitalquote ermittelst du, wie hoch der Anteil des Eigenkapitals am Gesamtvermögen ist.

Die Formel für die Eigenkapitalquote ist:

Formel EigenkapitalquoteEigenkapitalquote = Eigenkapital/Gesamtkapital * 100

Für unser Beispiel ergibt sich demnach eine Eigenkapitalquote von: 195.000 €/500.000 € * 100 = 39 %

Fremdkapitalquote

Die Fremdkapitalquote ist das Pendant zur Eigenkapitalquote, sie zeigt den Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital.

Sie wird berechnet mit der Formel:

Formel Fremdkapitalquote

Fremdkapitalquote = Fremdkapital/Gesamtkapital * 100

Oder indem du von 100 % einfach die Eigenkapitalquote abziehst, denn die Eigenkapital- und Fremdkapitalquote müssen zusammen 100 % ergeben (sonst hast du dich verrechnet).

Für unser Beispiel liegt die Fremdkapitalquote daher bei: 100 % - 39 % = 61 %.

Verschuldungsgrad

Der Verschuldungsgrad zeigt, in welchem Verhältnis das Eigenkapital zum Fremdkapital steht. Entsprechend wird es mit der Formel:

Formel Verschuldungsgrad

Verschuldungsgrad = Fremdkapital/Eigenkapital * 100 berechnet.

Für das Unternehmen in unseren Beispiel beträgt der Verschuldungsgrad daher: 305.000 €/195.000 € = 156,41 %.

Anlagenintensität

Mit der Anlagenintensität wird festgestellt, wie hoch der Anteil des Anlagevermögens am Gesamtkapital ist.

Sie wird mit folgender Formel berechnet:

Formel Anlagenintensität

Anlagenintensität = Anlagevermögen/Gesamtvermögen * 100.

Für unser Beispiel ergibt sich demnach eine Anlagenintensität von: 320.000 €/500.000 € = 64 %

Umlaufintensität

Umgekehrt zur Anlagenintensität wird mit der Umlaufintensität der Anteil des Umlaufvermögens am Gesamtkapital ermittelt.

Die Formel für die Umlaufintensität lautet daher:

Formel Umlaufintensität

Umlaufintensität = Umlaufvermögen/Gesamtvermögen * 100.

Oder du berechnest die Umlaufintensität, indem du von 100 % die Anlagenintensität abziehst, denn beide Werte müssen zusammen 100 % ergeben.

Für unser Beispiel ergibt sich dann eine Umlaufintensität von: 100 % - 64 % (Anlagenintensität) = 36 %.

Anlagendeckungsgrade (Goldene Bilanzregel)

Mit den Anlagendeckungsgraden wird ermittelt, zu welchem Anteil das Anlagevermögen durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital finanziert wird.

Die Anlagendeckungsgrade werden auch als goldene Bilanzregeln bezeichnet, da sie für jedes Unternehmen überlebenswichtig ist.

Das ist nur der Fall, wenn das langfristige Vermögen auch langfristig finanziert wird, weil andernfalls ein Unternehmen schnell in eine bedrohliche Finanzlage geraten kann.

Obwohl drei Anlagendeckungsgrade unterschieden werden, kommen in der Praxis hauptsächlich der Deckungsgrad 1 und Deckungsgrad 2 zur Anwendung.

Formeln: Anlagendeckungsgrade Der Anlagendeckungsgrad 1 wird mit folgender Formel berechnet:

Anlagendeckungsgrad 1 = Eigenkapital/Anlagevermögen * 100.

Und der Anlagendeckungsgrad 2, mit dieser Formel:

Anlagendeckungsgrad 2 = Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital/Anlagevermögen * 100.

Für unser Beispiel ergeben sich demnach folgende Anlagendeckungsgrade:

Anlagendeckungsgrad 1 = 195.000 €/320.000 € * 100 = 60,94 %

Anlagendeckungsgrad 2 = 195.000 € + 205.000 €/320.000 € = 125 %

Liquiditätsgrade

Mit den Liquiditätsgraden wird ermittelt, wie sich einzelne Poste des Umlaufvermögen und das Umlaufvermögen zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten verhält.

Insgesamt werden drei Liquiditätsgrade unterschieden, die mit den folgenden Formeln berechnet werden.

Liquiditätsgrad 1 = flüssige Mittel/kurzfristige Verbindlichkeiten * 100

Liquiditätsgrad 2 = flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen + Wertpapiere/kurzfristige Verbindlichkeiten * 100

Liquiditätsgrad 3 = Umlaufvermögen/kurzfristige Verbindlichkeiten * 100

Für unser Beispiel ergeben sich demnach folgende Liquiditätsgrade:

Liquiditätsgrad 1 = 110.000 €/100.000 € * 100 = 110 %

Liquiditätsgrad 2 = 110.000 € + 60.000 € + 5.000 €/100.000 € * 100 = 175 %

Liquiditätsgrad 3 = 180.000 €/100.000 € * 100 = 180 %

Working Capital

Das Working Capital wird berechnet, indem vom Umlaufvermögen die kurzfristigen Verbindlichkeiten abgezogen werden.

Beim Working Capital handelt es sich, anders als bei den anderen Kennzahlen, um keine relative Kennzahl, da sie nicht in Prozent berechnet wird.

Formel: Working CapitalDie Formel für das Working Capital ist: Working Capital = Umlaufvermögen – kurzfristige Verbindlichkeiten.

Für unser Beispiel ergibt sich demnach folgendes Working Capital:

Working Capital = 180.000 € - 100.000 € = 80.000 €

Gesamteinschätzung

Nachdem die Bilanzkennzahlen berechnet wurden, sollten diese zusammengefasst und mit Richtwerten verglichen werden.

Zusammengefasst ergibt sich das folgende Bild mit den dazugehörigen Richtwerten (Sollwerte in Klammern).

Bitte beachte, dass falls kein Richtwert angegeben ist, dann gibt es für diese Kennzahl keinen allgemeinen anerkannten Wert, der nicht über oder unterschritten werden sollte.

  • Eigenkapitalquote: 39 %

  • Fremdkapitalquote: 61 % (unter 80 %)

  • Verschuldungsgrad: 156,41 % (kleiner 200 %)

  • Anlagenintensität: 64 %

  • Umlaufintensität: 36 %

  • Anlagendeckungsgrad 1: 60,94 % (mindestens 60 %)

  • Anlagendeckungsgrad 2: 125 % (mindestens 100 %)

  • Liquiditätsgrade 1: 110 %

  • Liquiditätsgrade 2: 175 %

  • Liquiditätsgrade 3: 180 %

  • Working Capital: 80.000 €

Basierend auf diesen Bilanzkennzahlen kann das Unternehmen als gesund eingeschätzt werden.

Höchstens könnte der Anlagendeckungsgrad 1 angesprochen werden, der sich nahe am Richtwert bewegt.

Allerdings wird in der Praxis dem Anlagendeckungsgrad 2 mehr Beachtung geschenkt, da sich ein Unternehmen in aller Regel immer durch eine Mischung von Eigenkapital und Fremdkapital finanziert.

Wie vorher erwähnt, sollten aber noch weitere betriebswirtschaftliche Kennzahlen berücksichtigt werden, um die finanzielle Situation des Unternehmens beurteilen zu können.

Branche, Größe und Geschäftsmodell wichtig

Des Weiteren solltest du natürlich beachten, dass dieses Beispiel und die Richtwerte vergleichsweise vereinfacht sind.

In der Praxis musst du unbedingt berücksichtigen, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist, wie groß es ist und ob für das Geschäftsmodell Besonderheiten beachtet werden sollten.

Dennoch bietet dir dieses Beispiel eine gute erste Ausgangslage, um ein Grundverständnis für Bilanzkennzahlen zu entwickeln.

Welche Vorteile und Nachteile haben Bilanzkennzahlen?

Ein Mann schreibt die Vorteile und Nachteile in ein Notizbuch

Bilanzkennzahlen sind für Unternehmen wichtig.

Sowohl intern als auch extern.

In diesem Zusammenhang gibt es daher klare Vorteile von Bilanzkennzahlen, aber auch Nachteile, die du kennen solltest.

Lass uns einen Blick auf sie werfen.

Vorteile

  • Mit Bilanzkennzahlen ist es möglich, sich vergleichsweise schnell ein Bild darüberzumachen, wie gesund ein Unternehmen ist. Bilanzposten für sich genommen sind dafür nicht geeignet, da sie eine zu geringe Aussagekraft haben.

  • Einfache Berechnung der Bilanzkennzahlen, in der Regel werden Bilanzposten nur in dafür vorgesehene Formeln eingesetzt.

  • Bewertung von Bilanzkennzahlen über den Zeitablauf und im Vergleich zu anderen Unternehmen ermöglichen eine detaillierte Erfolgsmessung.

  • Bilanzkennzahlen können bei der Unternehmenssteuerung vom Management verwendet werden, um rechtzeitig gegensteuern zu können.

Nachteile

  • Bilanzkennzahlen sind immer vergangenheitsorientiert, da sie sich auf die Jahres- oder Quartalsbilanz zu einem Bilanzstichtag konzentrieren. Je weiter dieser in der Vergangenheit liegt, desto weniger aussagekräftig sind die berechneten Kennzahlen.

  • Unternehmen haben bei der Bilanzerstellung Spielräume, die sie nutzen können. Dadurch kann die Finanzlage besser aussehen, als sie tatsächlich ist (Window-Dressing).

  • Mitunter kommt es zu einer einseitigen Fokussierung auf bestimmte Kennzahlen, wodurch andere Finanzziele nicht ausreichend beachtet werden.

Fazit

In diesem Ratgeber haben wir uns mit Bilanzkennzahlen beschäftigt, die den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen zugeordnet werden.

Die Informationen, die sich aus diesen Kennzahlen ergeben, sind für Unternehmen wichtig.

Das gilt sowohl für interne Zwecke, als auch für externe, wenn etwa Investoren ein Unternehmen genauer analysieren möchten.

Auch Banken und Gläubiger verwenden Bilanzkennzahlen, um die Kreditwürdigkeit (Bonität) eines Unternehmens einschätzen zu können.

Wie erwähnt, ist es aber nicht ausreichend, sich nur die Kennzahlen anzusehen, die mit den Positionen der Bilanz berechnet werden.

Stattdessen sind die Bilanzkennzahlen bei der Jahresabschlussanalyse ein Teil der gesamten Unternehmensanalyse.

Weitere Informationen zu Kennzahlen und zu Bilanzen findest du auf unserem Blog in der Kategorie Wirtschaft.