Was ist eine freie Marktwirtschaft? Vorteile und Nachteile erklärt
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Reza Machdi-Ghazvini, CAIADie freie Marktwirtschaft ist eine Wirtschaftsform, bei der nur Angebot und Nachfrage den Markt beeinflussen (Preismechanismus). Die Marktteilnehmer können sich uneingeschränkt wirtschaftlich entfalten, ohne dass sich der Staat einmischt.
Das Ziel der freien Marktwirtschaft ist ein stabiler und unabhängig Markt, der sich selbst reguliert. Dabei wird angenommen, dass sich die Marktteilnehmer (Wirtschaftssubjekte) vernünftig verhalten, was automatisch zu einer optimalen Verteilung von Ressourcen und Gütern innerhalb der Volkswirtschaft führt.
Das genaue Gegenteil zur freien Marktwirtschaft ist die Planwirtschaft. Bei der vom Staat vorgegeben wird, was zu welchem Preis und in welcher Menge angeboten wird.
Das wirst du in diesem Ratgeber lernen:
Was sind die Merkmale einer freien Marktwirtschaft?
Damit es sich bei einem Markt um eine freie Marktwirtschaft handelt, muss dieser verschiedene Merkmale erfüllen.
Im Folgenden wollen wir dir eine Übersicht über diese Merkmale geben.
Offene Märkte
Offene Märkte sind Märkte ohne Zutritts- und Austrittsbeschränkungen, sowie mit freiem Marktzutritt und - austritt.
Das bedeutet, jeder kann einen offenen Markt als Anbieter oder Nachfrager betreten und auch wieder verlassen.
Es kommt zu einem Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern.
Freie Berufswahl
Unter freier Berufswahl, auch Berufsfreiheit, wird verstanden, dass jeder seinen Beruf frei wählen und ausüben kann.
Es gibt keine Beschränkung für die Anzahl von bestimmten Berufen oder Tätigkeiten.
Das Gleiche gilt für die Ausbildungs- und Betriebsstätten.
Freie Preisbildung
Der Prozess, bei dem das Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage zu einem Preis führt, wird als freie Preisbildung bezeichnet.
Es kommt zu keinen Eingriffen durch Dritte, wie zum Beispiel den Staat.
Privatbesitz an Produktionsmitteln
Mit dem Privatbesitz (Privateigentum) an Produktionsmitteln ist gemeint, dass ein Individuum die alleinige und vollständige Herrschaft über eine Sache haben kann.
Dieses Recht ist wichtig, denn nur so können Unternehmen in einem rechtssicheren Rahmen über den Einsatz und die Verwendung von Produktionsmitteln bestimmen.
Im Übrigen gehören zu den Produktionsmitteln alle Güter, die für die Produktion notwendig sind. Das sind unter anderem Maschinen, Anlagen, Werkzeuge und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe.
Vertrags- und Gewerbefreiheit
Vertragsfreiheit ist die Freiheit, Verträge mit Personen zu eigenen Konditionen und Bedingungen abschließen zu können. Sowohl für die Wahl der einzelnen Personen als auch für die Inhalte gibt es keine Beschränkungen.
Und die Gewerbefreiheit ist das Recht für jede Person, ein Gewerbe selbstständig und in Selbstverantwortung betreiben zu können.
Dieses Recht gilt so lange, wie durch das Unternehmen keine geltende Gesetze gebrochen oder sonstige Beschränkungen verletzt werden.
Was ist die Rolle des Staates in einem freien Markt?
Da eine freie Marktwirtschaft sich selbst regulieren soll, nimmt der Staat nur eine untergeordnete Rolle in diesem Wirtschaftssystem ein.
Der Staat hat lediglich die Rolle, den Schutz, die Sicherheit und das Eigentum der Bürger zu gewährleisten. Außerdem muss er Zahlungsmittel bereitstellen und das Rechtssystem erhalten.
Im Kontext der freien Wirtschaft wird der Staat auch als Nachtwächterstaat oder auch als Minimalstaat bezeichnet.
Der Staat folgt dem Prinzip, den Markt so weit wie möglich sich selbst zu überlassen (Laissez-faire).
Zu den Aufgaben des Staates gehört demnach auf keinen Fall der Eingriff in das Wirtschaftssystem, um die Marktteilnehmer gezielt zu beeinflussen.
Welche Vorteile hat die freie Marktwirtschaft?
Für eine freie Marktwirtschaft lassen sich verschiedene Vorteile nennen.
Auf diese gehen wir im Folgenden ein.
👍 Gewinnanreiz
Durch den Gewinnanreiz, also dadurch, dass Marktteilnehmer die Möglichkeit haben zu profitieren, entsteht ein dynamischer Wettbewerb.
Dieser Wettbewerb sorgt für ständige Produktverbesserungen und Weiterentwicklungen. Gleichzeitig geht ein dynamischer Wettbewerb in der Regel mit niedrigen Preisen einher.
👍 Produktinnovationen
Der dynamische Wettbewerb in einer freien Marktwirtschaft zwingt die Anbieter dazu, ihre Produkte stetig weiterzuentwickeln, denn es gilt:
"Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit".
Unternehmer sind gezwungen, in die Entwicklung neuer Ideen oder in den technischen Fortschritt von neuen Produkten oder wesentlich veränderten Produkten zu investieren.
Dabei handelt es sich nicht um eine Wahlmöglichkeit, sondern vielmehr um eine Pflicht, um dauerhaft am Markt bestehen zu können.
👍 Individuelle Entfaltung
In einer freien Marktwirtschaft können sich die Marktteilnehmer frei entfalten.
Den eigenen Möglichkeiten und innovativen Gedanken sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt weder produktive noch reproduktive Grenzen.
Die Marktteilnehmer haben die Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, wie sie am Markt teilnehmen möchten.
👍 Freie Arbeitsplatzwahl
In einer freien Marktwirtschaft können die Arbeitnehmer selbst entscheiden, wie sie dazu beitragen möchten.
Es gibt keine Einschränkungen bei der Berufs- oder Tätigkeitswahl. Genauso gibt es für bestimmte Berufe keine Quoten oder sonstige Restriktionen, die Arbeitnehmer bei ihrer Berufswahl folgen müssen.
In einer freien Marktwirtschaft kann also jeder Marktteilnehmer den Beruf ausüben, der am besten zu seinen individuellen Stärken, aber auch Schwächen passt.
👍 Vielfältiges Güterangebot
Da alleine die Käufer in einer freien Marktwirtschaft über das Güterangebot bestimmen, geht das grundsätzlich mit einem breiten Angebot an Waren und Dienstleistungen einher.
Solange sich ausreichend Abnehmer in einer freien Marktwirtschaft finden, wird sich ein Angebot einstellen.
Denn von diesem Angebot profitieren wiederum auch die Unternehmen, indem sie dafür Gewinne einstreichen können.
👍 Eigentumsrechte
Ein Vorteil, der in einer freien Marktwirtschaft nicht unterschätzt werden sollte, sind die Eigentumsrechte.
Denn aufgrund dieser Rechte können Marktteilnehmer nicht einfach ihrer Vermögenswerte entzogen werden.
Zum Beispiel dann, wenn der Staat, die Regierung oder eine andere höhere Macht davon ausgehen, dass von diesen Werten die Allgemeinheit bzw. Gesellschaft mehr profitieren würde.
Aufgrund der Eigentumsrechte können sich alle Marktteilnehmer sicher darüber sein, dass ihre Arbeit und ihr Einsatz nicht umsonst war.
Was sind die Nachteile der freien Marktwirtschaft?
Neben den Vorteilen hat eine freie Marktschaft auch verschiedene Nachteile, die nicht zu unterschätzen sind.
Über diese Nachteile möchten wir uns jetzt einen Überblick verschaffen.
👎 Marktmacht von Monopolen
In einer freien Marktwirtschaft können Monopole entstehen.
Bei einem Monopol kommt es zu einer Marktsituation, der nur ein Anbieter (Monopolist) vielen Nachfragern gegenübersteht.
Das bedeutet, nur ein Anbieter, z. B. ein Unternehmen, kann die Preise für ein Produkt oder Dienstleistung festlegen. Und das Gleiche gilt auch für die insgesamt angebotene Menge.
Ein Monopol hat negative Konsequenzen für die Kunden. Denn typischerweise liegt der Preis über dem Gleichgewichtspreis und gleichzeitig kann es auch zu einem Mangel kommen.
👎 Konjunkturschwankungen
Da nur der Preis das Angebot und die Nachfrage bestimmt, kann es mitunter zu erheblichen Konjunkturschwankungen kommen.
Das kann insbesondere aufgrund einer besonders hohen Nachfrage nach einem Produkt führen, was sehr viele Unternehmer anzieht, die auch davon profitieren möchten.
Es kommt zu einer Überhitzung des Marktes und anschließend zu einer Korrektur, die über einen langen Zeitraum anhalten kann.
In der Folge kommt es zur Massenarbeitslosigkeit, Armut und zuletzt zu Unruhen, die zum Zusammenbruch der Wirtschaft und eines Staates führen können.
Ein prominentes Beispiel dafür ist etwa die Machtergreifung durch die Nazis 1933, die so oder so ähnlich nur aufgrund der gravierenden Wirtschaftskrise möglich gewesen war, die zu derzeit herrschte.
👎 Geringe Bereitstellung von öffentlichen Gütern
Aufgrund der Rolle des Staates als Nachtwächterstaat bzw. Ministaat werden nur wenige öffentliche Güter bereitgestellt.
Der Staat konzentriert sich nur auf die allerwichtigsten Güter, die eine freie Marktwirtschaft zum Funktionieren brauch.
Alle darüber hinaus gehenden Güter werden vom Markt bereitgestellt. Definitionsgemäß zu einem Preis, der sich aus Angebot und Nachfrage ergibt.
👎 Hohe Einkommensunterschiede
Da in einem freien Markt nur der Preis das Angebot und die Nachfrage regelt, kann es mitunter zu gravierenden Einkommensunterschieden kommen.
Im Extrem kann das dazu führen, dass viele Menschen von Armut bedroht sind oder in Armut leben.
Eine mögliche Gegenmaßnahme, was aber bereits eine Grenzüberschreitung des Staates darstellen würde, ist die Einführung von Mindestlöhnen.
Aber genau dann wären die Kriterien und die Grundidee für die freie Marktwirtschaft nicht mehr erfüllt.
👎 Mehr Arbeitslosigkeit
Neben hohen Einkommensunterschieden kommt es in freien Märkten tendenziell zu mehr Arbeitslosigkeit.
So kann es vergleichsweise schnell zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen, wenn die Nachfrage nach einem Produkt oder Dienstleistung abnimmt.
Aufgrund seiner Rolle als Nachtwächterstaat greift die Regierung in dieser Situation nicht ein, was gravierende Konsequenzen für Personen haben kann, die ihren Arbeitsplatz verloren haben.
Dass dieser Nachteil seine Berechtigung hat, zeigt zum Beispiele die Coronakrise.
Hätten Staaten weltweit nicht aktiv eingegriffen, wären hunderttausende Menschen, insbesondere mit einem Job aus dem Hotelgewerbe oder Gastronomie, arbeitslos geworden.
Und die Kosten, die daraus entstanden werden, wären vermutlich um ein Vielfaches höher gewesen, als die, die es zur Beseitigung dieser misslichen Situation gebraucht hat.
👎 Fehlende soziale und arbeitsrechtliche Absicherung
Zu den Nachteilen einer freien Marktwirtschaft gehört ebenfalls die fehlende soziale und arbeitsrechtliche Sicherheit.
Das bedeutet, es gibt nur eine eingeschränkte oder gar keine Absicherung, sollte eine Person arbeitslos werden.
Die Begründung dafür ist, dass in einem freien Markt Arbeitnehmer ein neues Beschäftigungsverhältnis finden, vorausgesetzt sie arbeiten für eine Firma, die mit ihren Produkten eine vorhandene Nachfrage bedienen kann.
Daher wird angenommen, dass eine soziale und arbeitsrechtliche Absicherung nicht notwendig ist, denn der Markt reguliert sich über den Preismechanismus selber.
Allerdings haben Beispiele in der Vergangenheit gezeigt, dass das nicht so ohne Weiteres möglich ist.
Hätten zum Beispiel nicht weltweit die Staaten in der globalen Finanzkrise eingegriffen, wäre es mit Sicherheit zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen gekommen.
Daher blieb den Staaten gar keine Wahl, als Rettungspakete im großen Umfang zu schnüren, um die Banken vor einem Kollaps zu bewahren.
Beispiel: Freie Marktwirtschaft in den USA
Die Wirtschaft der USA kann den Kriterien einer freien Marktwirtschaft weitestgehend gerecht werden.
So kann das amerikanische Wirtschaftssystem größtenteils alle Merkmale einer freien Wirtschaft erfüllen, die wir zu Beginn vorgestellt haben:
Offene Märkte
Freie Berufswahl
Freie Preisbildung
Privatbesitz an Produktionsmitteln
Vertrags- und Gewerbefreiheit
In kaum einem anderen Land hat der Staat sich in den letzten Jahrzehnten so stark aus der Wirtschaft herausgehalten, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Ein anschauliches Beispiel dafür war, dass noch vor einigen Jahren eine große Anzahl von Amerikanern keine Krankenversicherung hatte.
Erst durch die Reform von Barack Obama (Obamacare) ändert sich etwas an dieser Situation. Aber heute noch gibt es einen vergleichsweise großen Anteil an Amerikanern ohne Krankenversicherung.
Krisen wie die Globale Finanzkrise und die Coronakrise haben aber auch den Staat dazu gezwungen, in das Wirtschaftsgeschehen einzugreifen, insbesondere um soziale und gesellschaftliche Unruhen zu vermeiden.
Das zeigt letztendlich, dass selbst in einer freien Marktwirtschaft wie in den USA, es Situationen gibt, in denen es nicht ohne staatlichen Eingriff geht.
Wie unterscheiden sich freie und soziale Marktwirtschaft?
Um die Nachteile der freien Marktwirtschaft einzuschränken, wurde das soziale Marktwirtschaftsmodell entwickelt.
Dieses Modell bzw. Wirtschaftsform ist in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und wurde wesentlich von Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard geprägt.
In einer sozialen Wirtschaft gelten die gleichen Vorteile wie bei einer freien Marktwirtschaft. Und gleichzeitig steht die soziale Absicherung im Vordergrund.
Für eine soziale Marktwirtschaft gelten folgende Merkmale:
Freie Preisbildung
Privateigentum an Produktionsmitteln
Der Staat erlässt verschiedene Gesetze, um Monopole, Kartelle und anderen Wettbewerbsbeschränkungen zu verhindern.
Der Staat betreibt eine aktive Konjunktur- und Wachstumspolitik.
Der Staat versucht, den Arbeitsmarkt im Gleichgewicht zu halten. Eine maximal hoher Beschäftigungsgrad ist sein Ziel.
Der Staat verfolgt ein soziales Sicherungssystem. Teil von diesem System sind Leistungen für Sozialhilfe, Umverteilungen, Zuschüsse, aber auch eine Sozialrente. Zu diesem System gehört entsprechend auch eine Sozialversicherungspflicht.
Der Staat betreibt eine stabile Geldpolitik. Hierfür übernimmt eine Zentralbank die Aufgabe, die Inflation zu steuern, um den Wert des Geldes zu sichern. Dabei ist sie unabhängig.
Die soziale Marktwirtschaft hat sich als Modell bewährt, da sie den Schwächen des freien Wirtschaftsmodells gezielt entgegenwirken kann.
Es ist die Wirtschaftsform von vielen Ländern, zu denen auch Deutschland, Österreich und die Schweiz zählen.
Soziale Marktwirtschaft in den USA?
Und obwohl es sich bei der vorgestellten Wirtschaftsform der USA um eine freie Marktwirtschaft handelt, hat auch die Wirtschaft der USA Komponenten der sozialen Marktwirtschaft übernommen.
So ist es auch heute in den USA nicht mehr möglich, dass Kartelle oder Monopole entstehen können, da das vom Staat sehr zielgerichtet unterbunden wird.
Allerdings kann die USA aber kaum als Sozialstaat bezeichnet werden, was sich zum Beispiel am vorherigen Beispiel mit der fehlenden Krankenversicherung gut zeigen lässt.
Dass es aber in den USA gar keine Sozialleistungen gibt, lässt sich wiederum auch nicht behaupten. Nur eben in einem nicht vergleichbaren Ausmaß wie mit den Staaten in der Europäischen Union.
Fazit
In diesem Ratgeber haben wir uns mit der freien Marktwirtschaft beschäftigt.
Damit die Wirtschaft eines Staates als freie Marktwirtschaft bezeichnet werden kann, muss sie verschiedene Merkmale erfüllen.
Zwar spielt der Staat nur eine kleine Rolle in dieser Wirtschaftsordnung, trotzdem muss er verschiedene elementare Aufgaben erfüllen. Weswegen er auch als Nachtwächterstaat bzw. Ministaat bezeichnet wird.
Die Wirtschaftsform der freien Marktwirtschaft hat viele Vorteile, die den Marktteilnehmern maximale Freiheit gewähren.
Aber diese Freiheit hat ihren Preis und zeigt sich in den verschiedenen Nachteilen, die im schlimmsten Fall einen Staat in eine schwere Krise stürzen, sollte er unter keinen Umständen in die Wirtschaft eingreifen.
Die soziale Marktwirtschaft greift diese Nachteile auf und gleicht sie dadurch aus, indem sie einen Schwerpunkt auf die soziale Absicherung setzt.
Heutzutage gibt es eigentlich kaum noch Länder, bei denen von einer freien Marktwirtschaft gesprochen werden kann. Alle Länder haben teilweise oder ganz die Komponente der sozialen Marktwirtschaft übernommen.