Anlagendeckungsgrad 1: Definition, Formel, Richtwert und Bedeutung
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Reza Machdi-Ghazvini, CAIADer Anlagendeckungsgrad 1 ist eine betriebswirtschaftliche Kennzahl, die anzeigt, in welchem Ausmaß das Anlagevermögen durch das Eigenkapital einer Gesellschaft finanziert wird.
Zum Beispiel bedeutet ein Deckungsgrad 1 von 50 %, dass das Anlagevermögen zu 50 % mit Eigenkapital gedeckt ist.
Die Kennzahl kann von Investoren bei der Bilanzanalyse eines Unternehmens verwendet werden. Ebenfalls wird der Anlagendeckungsgrad 1 intern als Kontrollgröße genutzt.
Das wirst du in diesem Ratgeber lernen:
Wie wird der Anlagendeckungsgrad 1 berechnet?
Die Berechnung des Anlagendeckungsgrad 1 ist einfach.
Das Eigenkapital und das Anlagevermögen wird in die folgende Formel eingesetzt.
Anlagendeckungsgrad I = Eigenkapital / Anlagevermögen * 100
Das Ergebnis wird mit 100 multipliziert, um den Anlagendeckungsrad 1 in Prozent zu erhalten.
Das Eigenkapital und das Anlagevermögen lassen sich in der Bilanz eines Unternehmens finden. Internationale Kapitalgesellschaften bilanzieren typischerweise quartalsweise und jährlich.
Bei der Bilanz befindet sich das Eigenkapital auf der Passivseite (Passiva). Das Eigenkapital wird aus Gewinnen erwirtschaftet und steht einem Unternehmen zinsfrei zur Verfügung und muss nicht an Gläubiger zurückbezahlt werden.
Auf der Aktivseite (Aktiva) befindet sich der bilanzielle Wert der Vermögensgegenstände.
Und unter dem Abschnitt Anlagevermögen werden alle Vermögenswerte zusammengefasst, die langfristig von einem Unternehmen genutzt werden.
Zu diesen Vermögensgegenständen gehören unter anderem Gebäude und Maschinen, aber auch Patente oder Büroausstattung.
Wie wird der Anlagendeckungsgrad 1 interpretiert?
Der Deckungsgrad 1 zeigt, wie viel Prozent des Anlagevermögens mit Eigenkapital finanziert wird.
Dementsprechend steht ein Wert von 100 % für eine vollständige Finanzierung des Anlagevermögens durch das Eigenkapital. Während ein Wert darüber einer Überdeckung und ein Wert darunter eine Unterdeckung zeigt.
Prinzipiell ist ein hoher Deckungsgrad 1 von Vorteil für Unternehmen. Sie profitieren von einer hohen finanziellen Stabilität, da sie weniger von externen Geldgebern wie Banken abhängig sind.
Dadurch ist es leichter für ein Unternehmen langfristig zu planen und gleichzeitig können Fehlinvestitionen leichter verkraftet werden, als wenn diese zum Beispiel über Kredite finanziert wurden.
Im Folgenden sehen wir uns an, was ein guter Richtwert für die Kennzahl ist.
Außerdem gehen wir auch darauf ein, worauf du bei der Bewertung der Kennzahl im Zeitablauf achten solltest.
Was ist ein guter Richtwert für den Deckungsgrad I?
Für den Anlagendeckungsgrad 1 kann nicht pauschal ein Wert oder Bereich genannt werden, der für alle Unternehmen als optimal gilt.
Aber, normalerweise sollte der Deckungsgrad 1 zwischen 60 % und 100 % liegen, um finanzielle Stabilität zu gewährleisten.
Falls ein Wert von 100 % erreicht wird, ist damit die goldene Bilanzregel erfüllt.
Nach dieser Regel sollte langfristiges Vermögen (Anlagevermögen) langfristig finanziert werden, was bei einer vollständigen Finanzierung durch Eigenkapital der Fall wäre.
Wie wird der Anlagendeckungsgrad 1 im Zeitablauf richtig bewertet?
Bei einer Bewertung des Deckungsgrads 1 über die Zeit sollte darauf geachtet werden, was zu einer Veränderung der Kennzahl geführt hat.
Obwohl grundsätzlich ein steigender Wert als positiv bewertet wird, muss ein sinkender Wert nicht zwingend auf eine verschlechtere Finanzlage hindeuten.
Steigender Wert
Ein steigender Wert kann entweder aus der Erhöhung des Eigenkapitals oder aus einer Verminderung des Anlagevermögens resultieren.
Während meistens der Anstieg des Eigenkapitals eine positive Entwicklung ist, kann ein sinkendes Anlagevermögen weder als positiv noch als negativ gedeutet werden.
Sinkender Wert
Ähnliches gilt bei einem sinkenden Wert, der entweder auf ein sinkendes Eigenkapital oder steigendes Anlagevermögen zurückgeführt werden kann.
Nimmt das Eigenkapital ab, spricht das meistens für eine Verschlechterung der Finanzsituationen, zum Beispiel wenn das Unternehmen Verluste macht. Das kann im schlimmsten Fall zu einer Insolvenz führen.
Der Rückgang des Eigenkapitals könnte aber die Folge eines Aktienrückkaufs sein. In diesem Fall wäre diese Entwicklung positiv.
Kann der niedrigere Deckungsgrad 1 auf einen Anstieg des Anlagevermögens zurückgeführt werden, ist das meistens eine positive Entwicklung.
Denn dabei handelt es sich normalerweise um Investitionen, die in Zukunft zu höheren Unternehmensgewinnen führen.
⚠️ Wie du siehst, reicht es nicht aus, auf einen steigenden oder sinkenden Wert zu achten, um richtige Aussagen zu treffen. Vielmehr musst du dir gleichzeitig auch ansehen, wie sich das Eigenkapital und das Anlagevermögen verändert hat.
Welche Nachteile hat der Anlagendeckungsgrad I als Kennzahl?
Der Deckungsgrad I hat als Kennzahl verschiedene Nachteile, die du kennen solltest.
🔻 Vergangenheitsbezug
Ein wichtiger Nachteil ist, dass die Kennzahl wegen des Bilanzbezugs vergangenheitsbezogen ist. Denn die Berechnung der Kennzahl hängt von den Zahlen ab, die zu einem quartalsweisen oder jährlichen Bilanzstichtag verfügbar sind.
Veränderungen, die zwischen den Stichtagen auftreten, können nicht berücksichtigt werden.
Das kann insbesondere ein Problem sein, wenn es kurz nach Stichtagen zu Veränderungen gekommen sind, wodurch die Aussagekraft schwächer wird.
🔻 Bilanzielle Bewertungsspielräume
Ein weiterer Nachteil ergibt sich aus den möglichen bilanziellen Bewertungsspielräumen eines Unternehmens.
Falls etwa ein Unternehmen bewusst sein bilanziertes Anlagevermögen durch die Bildung von stillen Reserven senkt, würde dadurch der Deckungsgrad I bei gleichbleibendem Eigenkapital steigen.
🔻 Sektorbezogener Wettbewerbsvergleich
Und ebenfalls nachteilig ist, dass beim Wettbewerbsvergleich nur Unternehmen aus demselben Sektor (Branche) miteinander verglichen werden können.
Die Begründung dafür ist, dass Branchen sich mitunter stark unterscheiden bei der Höhe des Anlagevermögens.
In der Konsequenz macht ein Vergleich von Unternehmen aus unterschiedlichen Sektoren keinen Sinn und führt zu falschen Ergebnissen.
Wie unterscheiden sich Anlagendeckungsgrad 1, 2 und 3?
Neben dem Deckungsgrad 1 gibt es noch zwei weitere Stufen, die als Erweiterung verstanden werden können. Lass uns den Unterschied zwischen diesen Kennzahlen genauer anschauen.
Anlagendeckungsgrad 2
Der Anlagendeckungsgrad 2 (auch Anlagendeckungsgrad II) berücksichtigt neben dem Eigenkapital auch noch das langfristige Fremdkapital, das dem Unternehmen länger als 1 Jahr zur Verfügung steht.
Beim Anlagendeckungsgrad 2 wird erwartet, dass der Wert deutlich über 100 % liegt. Ein normaler Wert liegt in dem Bereich zwischen 110 % bis 150 %.
Anlagendeckungsgrad 3
Bei der dritten Stufe des Anlagendeckungsgrads wird neben dem Anlagevermögen auch das Umlaufvermögen berücksichtigt, das ein Unternehmen mindestens brauch.
Ähnlich wie das Anlagevermögen kann dieser Teil des Umlaufvermögens als langfristig bewertet werden.
In der Praxis werden typischerweise nur die Anlagendeckungsgrade 2 und 3 berechnet, da verlässliche Zahlen über die Mindestbestände des Umlaufvermögens nicht verfügbar sind.
Anlagedeckungsgrad I an einem Beispiel
Abschließend schauen wir uns ein einfaches Beispiel an.
Hierfür nehmen wir an, dass bei der Bilanz des letzten Stichtags folgende Werte vorliegen:
Aktivseite (Aktiva)
Anlagevermögen: 70.000 €
Gebäude und Grundstücke: 50.000 €
Maschinen: 20.000 €
Umlaufvermögen: 30.000 €
Bilanzsumme: 100.000 €
Passivseite (Passiva)
Eigenkapital: 50.000 €
Gezeichnetes Kapital: 10.000 €
Rücklagen aus Gewinnen: 25.000 €
Langfristige Rückstellungen: 15.000 €
Fremdkapital: 50.000 €
Bilanzsumme: 100.000 €
Anlagendeckungsgrad I = 50.000 € / 70.000 € * 100 = 71,43 %
Fazit
In diesem Ratgeber haben wir uns mit dem Anlagendeckungsgrad I beschäftigt. Die betriebswirtschaftliche Kennzahl zeigt, zu welchem Anteil das Anlagevermögen durch das Eigenkapital finanziert wird.
Die Kennzahl kann sowohl bei der Bilanzanalyse als auch als interne Messgröße genutzt werden.
Generell gilt, dass ein hoher Anlagendeckungsgrad I vorteilhafter ist und ein besonders niedriger Wert kann auf finanzielle Schwierigkeiten hindeuten.
Grundsätzlich sollte die Kennzahl aber über den Zeitablauf nicht isoliert betrachtet werden, sondern zusammen mit der Veränderung des Anlagevermögens und Eigenkapitals.
Als bilanzbezogene Kennzahl hat der Anlagedeckungsgrad I einige Schwächen, insbesondere der Vergangenheitsbezug kann die Aussagekraft negativ beeinflussen.
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