Anlagendeckungsgrad 2: Definition, Formel, Richtwert und Bedeutung
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Reza Machdi-Ghazvini, CAIADie betriebswirtschaftliche Kennzahl Anlagendeckungsgrad 2 zeigt, in welchem Ausmaß das Anlagevermögen durch das langfristig zur Verfügung stehende Kapital finanziert wird (Eigenkapital und langfristiges Schulden).
Ein Deckungsgrad 2 bedeutet zum Beispiel, dass das Anlagevermögen zu 100 % durch Eigenkapital und langfristigen Fremdkapital finanziert wird.
Die Kennzahl wird bei der Bilanzanalyse und als Kontrollgröße für interne Messungen eines Unternehmens verwendet.
Wie wird der Anlagendeckungsgrad 2 berechnet?
Der Anlagendeckungsgrad 2, auch Deckungsgrad II genannt, kann leicht mit der folgenden Formel berechnet:
Anlagendeckungsgrad 2 = (Eigenkapital + langfristiges Fremdkapital) / Anlagevermögen * 100
Das Zwischenergebnis wird mit 100 multipliziert, um den Deckungsgrad 2 in Prozent anzugeben.
Die Werte des Eigenkapitals und des langfristigen Fremdkapitals lassen sich beide in der Bilanz eines Unternehmens ablesen.
In der Praxis werden Bilanzen typischerweise quartalsweise und jährlich aufgestellt und veröffentlicht. Investoren haben dann Zugang zu diesen Bilanzen über die Webseite der Unternehmen unter dem Punkt "Investor Relations".
Eigenkapital
Der Wert des Eigenkapitals ist Teil der Passivseite und besteht aus den Kapitaleinlagen der Eigentümer, erwirtschafteten Gewinnen und sonstigen Vermögen, das einem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung steht.
Dementsprechend muss ein Unternehmen weder Zinsen noch eine Tilgung für das Eigenkapital leisten. Es muss nicht an externe Geldgeber zurückbezahlt werden.
Fremdkapital
Genauso wie das Eigenkapital wird auch das langfristige Fremdkapital auf der Passivseite geführt. Dieser Bilanzposten beinhaltet alle Darlehen, die ein Unternehmen mit längeren Laufzeiten aufgenommen hat.
Anders als beim Eigenkapital muss ein Unternehmen auf das Fremdkapital Zinsen bezahlen und auch Tilgungen leisten. Des Weiteren steht es einem Unternehmen nicht bis auf Weiteres zur Verfügung.
Anlagevermögen
Das Anlagevermögen ist Teil der Aktivseite der Bilanz und beinhaltet alle Vermögenswerte, mit denen ein Unternehmen langfristig arbeitet.
Die Vermögenswerte des Anlagevermögens unterscheiden sich hauptsächlich von denen des Umlaufvermögens, dass sie nicht verbraucht werden. Wie das zum Beispiel bei Rohstoffen der Fall ist.
Beispiele für Positionen des Anlagevermögens sind Grundstücke und Gebäude, Maschinen und immaterielle Vermögensgegenstände wie Marken oder Patente.
Wie wird der Anlagendeckungsgrad 2 interpretiert?
Im Kern zeigt der Deckungsgrad 2 zu welchem Anteil das Anlagevermögen durch das Eigenkapital und langfristige Fremdkapital finanziert werden.
Ergibt sich bei der Berechnung ein Wert von 100 %, wird das Anlagevermögen vollständig durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital gedeckt.
In der Konsequenz liegt bei einem Wert über 100 % eine Überdeckung vor und bei einem Wert unter 100 % eine Unterdeckung.
Grundsätzlich gilt ein Anlagendeckungsgrad 2 unter 100 % als zu niedrig, denn dann wird das (langfristige) Anlagevermögen nicht durch das langfristige Kapital gedeckt.
In diesem Fall wäre die goldene Bilanzregel nicht mehr erfüllt. Denn nach der goldenen Bilanzregel sollte das langfristige Vermögen langfristig finanziert werden.
In der Praxis könnten dann finanziell Engpässe auftreten, die im schlimmsten Fall zu einer Insolvenz führen.
Was ist ein guter Richtwert für den Deckungsgrad 2?
Für den Deckungsgrad 2 kann kein pauschaler Wert genannt werden, der für alle Unternehmen als optimal gilt. Wie aber erwähnt, sollte der Wert nicht unter 100 % sinken.
In welchem Bereich sich der Anlagendeckungsgrad 2 bewegen sollte, hängt maßgeblich von der Branche eines Unternehmens ab.
So haben Unternehmen aus Branchen, die kein hohes Anlagevermögen erfordern, tendenziell einen niedrigeren Deckungsgrad 2. Das sind etwa Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor.
Während für Branchen mit einem hohen Bestand an Anlagevermögen, wie zum Beispiel das produzierende Gewerbe, der Wert tendenziell höher ist.
Grundsätzlich gilt aber ein Wert zwischen 110 % bis 150 % als akzeptabel.
Wie wird der Deckungsgrad 2 richtig über den Zeitablauf bewertet?
Beim Vergleich des Deckungsgrad 2 eines Unternehmens über verschiedene Zeitperioden ist es wichtig, darauf zu achten, weshalb sich die Kennzahl verändert hat.
Ein steigender Wert kann die Konsequenz aus einem steigenden Eigenkapital sein. Genauso kann aber ein niedrigeres Anlagevermögen zu einem Anstieg des Werts führen.
Während eine Zunahme des Eigenkapitals für gewöhnlich ein positives Signal ist, kann ein sinkendes Anlagevermögen entweder positiv oder negativ sein.
Angenommen ein Unternehmen verkauft nicht mehr benötigte Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die es nicht mehr braucht, ist das eine positive Entwicklung.
Falls aber das Gegenteil der Fall ist, dass notwendige Anlagen wie Maschinen verkauft werden müssen, ist das definitiv ein schlechtes Signal.
Das würde bedeuten, dass das Unternehmen aus dem Cash-Flow nicht in der Lage ist, seine kurzfristigen Verbindlichkeiten zu bezahlen.
Zu dieser Situation kann es unter anderem kommen, wenn es bei einem Unternehmen zu Umsatzeinbrüchen kam und die Geldreserven nicht mehr ausreichen, um die laufenden Kosten und Lieferanten bezahlen zu können.
Gesamtbild betrachten
Wie du siehst, ist es bei einem steigenden oder fallenden Deckungsgrad II wichtig auf die anderen Posten in der Bilanz und Gewinn-und-Verlust-Rechnung zu achten.
Mit der Ausnahme, dass der Wert über die Zeit unter 100 % gefallen ist. Diese Entwicklung wäre bedenklich, da die goldene Bilanzregel nicht mehr erfüllt wäre.
Welche Nachteile hat der Anlagendeckungsgrad II als Kennzahl?
Der Deckungsgrad II hat verschiedenen Nachteile, auf die wir jetzt eingehen wollen.
🔻 Vergangenheitsbezug
Er ist eine statische Kennzahl, da sie von den Werten in der Bilanz zu bestimmten Stichtagen abhängig ist. Deswegen kann die Kennzahl nur zu den Bilanzstichtagen ausgewertet werden.
Entsprechend ist die Aktualität und die Aussagekraft der Kennzahl an den Bilanzstichtagen am höchsten.
Denn Veränderungen, die das Anlagevermögen und die anderen Werte betreffen, können zwischen den Bilanzen nicht berücksichtigt werden.
🔻 Bilanzielle Bewertungsspielräume
Des Weiteren ist bei den Nachteilen zu nennen, dass Unternehmen diverse Bewertungsspielräume bei der Aufstellung ihrer Bilanz nutzen können.
Diese können mitunter einen erheblichen Einfluss bei der Bewertung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens haben.
🔻 Stille Reserven
Des Weiteren können stille Reserven ebenfalls einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung von Anlagevermögen haben.
Zum Beispiel kann ein Vermögenswert des Anlagevermögens stark im Wert gestiegen sein, was aber wegen der Richtlinien des deutschen Handelsgesetzbuchs nicht in der Bilanz erfasst wird.
In diesem Fall würde der Anlagendeckungsgrad 2 wesentlich höher erscheinen, als er eigentlich ist, da das Anlagevermögen zu niedrig bilanziert wird.
Wie unterscheiden sich Anlagendeckungsgrad 1, 2 und 3?
Der Anlagendeckungsgrad II hat zwei verwandte Kennzahlen, die sich auch auf die Anlagendeckung beziehen: den Anlagendeckungsgrad I und III.
Anlagendeckungsgrad I
Dabei bildet der Anlagendeckungsgrad I das Fundament für die anderen zwei Kennzahlen, da er anders als der Grad II nur das Eigenkapital dem Anlagevermögen gegenüberstellt.
Deshalb liegt der Wert des Anlagendeckungsgrad I auch unter dem des Deckungsgrad II. Ein Wert von 100 % beim Deckungsgrad I würde einer vollständigen Eigenkapitalfinanzierung des Anlagevermögens entsprechen.
Entsprechend wäre bei einem Anlagendeckungsgrad 1 bereits die goldene Bilanzregel erfüllt. Allerdings kommt das nur selten in der Praxis vor.
Anlagendeckungsgrad III
Der Anlagendeckungsgrad III entspricht im Wesentlichen dem Grad II, außer dass das Anlagevermögen noch um die Mindestbestände des Umlaufvermögens ergänzt wird.
Der Gedanke dahinter ist, dass diese Mindestbestände auch als langfristiges Vermögen interpretiert werden können, da sie von einem Unternehmen für den Geschäftsbetrieb immer verfügbar sein müssen.
Daher ist der Deckungsgrad III typischerweise niedriger als bei den anderen zwei Anlagendeckungsgraden I und II.
Auch wenn die Idee des 3. Anlagendeckungsgrad einleuchtend klingt, wird die Kennzahl nur selten in der Praxis genutzt. Denn die Informationen über die Mindestbestände werden typischerweise von Unternehmen nicht veröffentlicht.
Deckungsgrad II an einem Beispiel
Zum Schluss schauen wir ein einfaches Beispiel für den Deckungsgrad II an.
Wir nehmen dafür an, dass die Bilanz zum Stichtag folgende Posten ausweist:
Aktivseite (Aktiva)
Anlagevermögen: 90.000 €
Gebäude und Grundstücke: 60.000 €
Maschinen: 30.000 €
Umlaufvermögen: 40.000 €
Bilanzsumme: 130.000 €
Passivseite (Passiva)
Eigenkapital: 70.000 €
Gezeichnetes Kapital: 10.000 €
Rücklagen aus Gewinnen: 40.000 €
Langfristige Rückstellungen: 20.000 €
Fremdkapital: 60.000 €
Langfristiges Fremdkapital: 45.000 €
Kurzfristiges Fremdkapital: 15.000 €
Bilanzsumme: 130.000 €
Anlagendeckungsgrad 2 = (70.000 € + 45.000 €) / 90.000 € * 100 = 127,77 %
Fazit
In diesem Ratgeber haben wir uns mit dem Anlagendeckungsgrad II befasst. Die Bilanzkennzahl zeigt, in welcher Höhe das Anlagevermögen durch das Eigenkapital und das langfristige Fremdkapital finanziert wird.
Die Kennzahl kann in der Bilanzanalyse oder auch als interne Kontrollgröße genutzt werden.
Generell gilt, dass der Deckungsgrad II nicht unter 100 % fallen sollte, da sonst die goldene Bilanzregel nicht erfüllt ist.
Bei der Analyse der Kennzahl über den Zeitablauf sollte die Kennzahl nicht isoliert betrachtet werden, da es sonst zur Fehlinterpretation kommen kann.
Der Deckungsgrad II hat als Kennzahl wegen seinem Bilanzbezug einige Nachteile. Zu diesen gehört unter anderem die abnehmende Aussagekraft, je länger der Bilanzstichtag zurück in der Vergangenheit liegt.
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