Was passiert bei einem Delisting? Aktien-Delisting einfach erklärt
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Reza Machdi-Ghazvini, CAIABei einem Delisting zieht sich ein börsennotiertes Unternehmen von der Börse zurück. Andere Bezeichnungen sind Börsenabgang oder auch Börsenrückzug.
Davon abzugrenzen ist das Downlisting, bei dem ein Unternehmen in ein Börsensegment mit niedrigen Anforderungen (Freiverkehr) wechselt.
Das Gegenteil zum Delisting ist der Börsengang (Initial Public Offering, kurz IPO) bei dem ein Unternehmen an die Börse geht.
Delisting stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie „von einer Liste streichen“. Der deutsche Begriff wäre Auslistung.
Das wirst du in diesem Ratgeber lernen:
Wie funktioniert das Delisting von einer Aktie?
Wenn sich ein Unternehmen vollständig von der Börse zurückziehen möchte, muss es dafür verschiedene rechtliche Bedingungen einhalten.
In diesem Zusammenhang muss die Börsenaufsicht, Bafin, den Rückzug von der Börse genehmigen. Außerdem muss das Unternehmen den Aktionären ein konkretes Abfindungsangebot machen.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen wurden 2015 reformiert, um die Interessen der Aktionäre besser zu schützen. Das war in früheren Jahren nicht immer der Fall, wenn die Aktien von Unternehmen quasi im freien Fall waren, nachdem ein Delisting angekündigt wurde.
Welche Regularien gelten für das Abfindungsangebot?
Für das verpflichtende Abfindungsangebot, das Aktionären bei einem geplanten Delisting gemacht werden müssen, gelten klare Regeln.
Diese betreffen den Zeitpunkt des Abfindungsangebots und die Berechnung des Angebots.
Zeitpunkt
Die BaFin teilt auf ihrer Webseite zum Zeitpunkt des Abfindungsangebots Folgendes mit: „Die Angebotsunterlage muss bereits veröffentlicht sein, wenn der Delisting-Antrag gestellt wird, und ausdrücklich auf den Delisting-Antrag hinweisen.“
Damit soll verhindert werden, dass den Aktionären nach Bekanntgabe des Delistings ein schlechteres Abfindungsangebot gemacht wird, wenn der Aktienpreis aufgrund des Delistings gefallen ist.
Angebotspreis
Zum Angebotspreis sagt die BaFin auf ihrer Webseite, dass „vor allem aber hat der Bieter die Mindestpreisvorschriften des WpÜG und der WpÜG-Angebotsverordnung (WpÜG-AngebV) einzuhalten, anstelle des üblichen volumengewichteten Drei-Monats-Durchschnittskurses jedoch einen entsprechenden Sechs-Monats-Durchschnittskurs zu bieten.“
Damit ist gemeint, dass sich der Angebotspreis am durchschnittlichen Aktienkurs über die letzten 6 Monate orientieren muss.
Dadurch muss sich das Unternehmen beim Angebotspreis an diesem Richtwert orientieren und kann den Aktionären nicht einfach ein unverhältnismäßiges Angebot machen.
Warum zieht sich ein Unternehmen von der Börse zurück?
Für den Rückzug von einem Unternehmen an der Börse kann es die unterschiedlichsten Gründe geben.
Sie lassen sich aber in zwei Kategorien einteilen: freiwillig und unfreiwillig.
Freiwilliges Delisting
Bei einem freiwilligen Börsenrückzug entscheidet sich ein Unternehmen selbst dazu, sich vom Börsenparkett zurückzuziehen.
Typischer Grund: Übernahme (Cold Delisting)
Ein klassischer Grund dafür ist die Übernahme des Unternehmens durch ein anderes Unternehmen, dass in der Folge das (meistens kleinere) Unternehmen voll integrieren möchte.
Aufgrund der Börsennotierung eines Unternehmens müssen verschiedene Pflichten eingehalten werden. Hierzu zählen insbesondere die Quartals- und Jahresberichte und auch die jährliche Hauptversammlung.
Die Kosten, aber auch die anderen Aufwendungen für die Erfüllung dieser Pflichten können durch ein Delisting eingespart werden.
Nicht immer sind aber die Kosten das Hauptargument, um ein übernommenes Unternehmen von der Börse zu nehmen.
Ein weiterer guter Grund ein Unternehmen von der Börse zu nehmen ist die Möglichkeit, es ohne Kenntnis der Öffentlichkeit neu zu strukturieren und es ohne mediales Interesse in das bestehende Unternehmen eingliedern zu können.
In Deutschland läuft so ein Delisting häufig so ab, dass die Aktiengesellschaft in eine GmbH umgewandelt und dann als Tochtergesellschaft integriert wird.
Weitere Gründe für ein Delisting
Neben dem typischen Grund, warum es zu einem Delisting kommt, lassen sich noch weitere gute Gründe für ein Delisting nennen.
Reduktion von Kosten: Eine Börsennotierung bringt mitunter erhebliche Kosten mit sich. Hierzu gehören nicht nur die bereits erwähnten Kosten für die Berichterstattung und Hauptversammlung. Sondern auch weitere Kosten für die Unterhaltung einer Compliance-Abteilung und sonstige Gebühren für die Kommunikation mit den Aufsichtsbehörden.
Management-Buy-out: Kommt es zu einer Akquisition eines Unternehmens durch das Management, möchten die neuen Mehrheitsaktionäre das Unternehmen von der Börse nehmen, um es ohne Beteiligung von Minderheits- oder sonstigen Aktionären nach ihren Vorstellungen umzustrukturieren.
Squeeze-Out: Bei einem Squeeze-Out kann ein Mehrheitsaktionäre die anderen Minderheitsaktionäre dazu auffordern, ihm ihre Aktien zu übertragen. Das kann etwa Sinn ergeben, wenn über den Zeitablauf nur noch eine sehr niedrige Anzahl von anderen Aktionären neben einem Großaktionäre übrig sind.
Unfreiwilliges Delisting
Zu einem unfreiwilligen Börsenrückzug kommt es, wenn die Aktien eines Unternehmens nicht mehr die regulatorischen Anforderungen für das Listing erfüllen kann.
Das geht meistens einher mit größeren finanziellen Schwierigkeiten, die ein Unternehmen durchläuft. Die nicht selten auch mit einer Insolvenz des betreffenden Unternehmens enden.
Zu den typischen Anforderungen von Börsen gehört unter anderem:
Mindestgröße für die Marktkapitalisierung
Mindestgröße für den Aktienkurs (z. B. mindestens 1 €, kein Penny-Stock)
Pünktliche Veröffentlichung von Quartals- und Jahresberichten
Was passiert nach dem Delisting mit den Aktien eines Unternehmens?
Ein Delisting wird häufig mit dem „Verschwinden“ der Aktien gleichgesetzt. Das ist nicht korrekt.
Unabhängig davon, ob es sich um einen freiwilligen oder unfreiwilligen Börsenabgang handelt, existieren die Aktien danach weiter.
Das gilt im Übrigen auch bei einer Insolvenz (bis das Unternehmen abgewickelt bzw. liquidiert wurde).
Was bedeutet ein Delisting für Investoren?
Falls es bei Aktien in deinem Portfolio zu einem Delisting kommt, hast du grundsätzlich drei Möglichkeiten, um darauf zu reagieren.
Je nachdem, um was für ein Delisting es sich handelt, solltest du dich für die entscheiden, die für dich wirtschaftlich am sinnvollsten ist – also mit der du dein Geld sicherst oder sogar Gewinn machst.
Bei einem unfreiwilligen Delisting ist es aber typischerweise bereits zu spät. Wenn du die Aktien jetzt noch hältst, ist die Wahrscheinlichkeit von einem teilweisen oder ganzen Verlust für diese Aktie sehr hoch.
Möglichkeit 1: Aktien sofort verkaufen
Diese Möglichkeit ist naheliegend und kann sinnvoll sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Aktienkurs auf das Delisting positiv reagiert und über dem Abfindungspreis liegt.
Ebenfalls ist diese Möglichkeit vorzuziehen, wenn sich ein Unternehmen auf dem Weg in den Bankrott befindet. Nur selten hat sich ein Unternehmen aus so einer Situation noch mal berappeln können.
Möglichkeit 2: Abfindungsangebot annehmen
Bei dieser Möglichkeit tust du einfach erst mal nichts nach Bekanntgabe des Delistings. Stattdessen nimmst du nach einiger Bedenkzeit das Angebot an.
Bei einem Squeeze-Out ist das Abfindungsangebot typischerweise attraktiv, da der Mehrheitsaktionär die volle Kontrolle übernehmen möchte und auch so Kosten für die Börsennotierung einsparen kann.
Möglichkeit 3: Aktien behalten
Bei der dritten Möglichkeit behältst du die Aktien einfach. Du verkaufst die Aktien nicht und du nimmst auch nicht das Abfindungsangebot an.
Diese Möglichkeit macht natürlich nur bei einem freiwilligen Delisting Sinn.
Denn bei einem unfreiwilligen Delisting, was meistens mit einer Insolvenz einhergeht, ist es nicht sinnvoll auf das „Ende“ zu warten, da du als Aktionär ohnehin erst nach allen anderen Gläubigern aus der Insolvenzmasse bedient wirst.
Solltest du diese Möglichkeit wählen, weil du etwa darauf spekulierst, dass du die Aktien später zu einem noch höheren Preis verkaufen kannst, musst du dir darüber bewusst sein, dass du die Aktien danach nur noch auf dem OTC-Markt (außerbörslicher Handel) verkaufen kannst.
Und das auch nur, wenn du dort überhaupt einen Käufer für die Aktien findest.
Für Privatanleger ist diese Möglichkeit daher meistens nicht die richtige Wahl. Du solltest dich tendenziell für eine der beiden anderen Möglichkeiten entscheiden.
Beispiele für das Delisting von Unternehmen
In der Vergangenheit kam es regelmäßig zu Delistings von Unternehmen.
Während bei manchen die Aktionäre davon profitieren oder wenigstens dadurch nicht schlechter gestellt wurden, liefen andere weniger vorteilhaft ab.
Übernahme von LinkedIn durch Microsoft
Ein anschauliches Beispiel für ein Delisting mit einem positiven Verlauf war die Akquisition von LinkedIn durch Microsoft 2015.
Nach Bekanntmachung der Übernahme durch Microsoft für einen Übernahmepreis von 196 $ pro Aktie, stieg der Aktienkurs um ca. 50 % und in der Folge kam es dann 2016 zu einem Delisting der LinkedIn-Aktien.
Betrugsskandal um Wirecard (Insolvenz)
Auf der anderen Seite ist Wirecard als ein Beispiel für ein Delisting zu nennen, das weniger vorteilhaft für die Aktionäre war.
Aufgrund des Betrugsskandals bei Wirecard kam es ebenfalls zu einem Delisting 2021.
Anders als beim vorher genannten Beispiel führte dieser aber zu einem Totalverlust für die Aktionäre (bzw. der genaue Ausgang ist noch nicht klar, aber voraussichtlich ist der größte Teils des investierten Kapitals verloren).
Fazit
In diesem Ratgeber haben wir uns mit dem Delisting beschäftigt. Dabei handelt es sich um den Börsenrückzug von einem Unternehmen.
Im Grunde das genaue Gegenteil von einem Börsengang (Initial Public Offering). Für ein Delisting gelten genau gesetzlich festgelegte Bedingungen, die einzuhalten sind.
Ein Delisting muss nicht immer nachteilig für Aktionäre sein, in manchen Fällen ist es mit hohen Gewinnchancen verbunden. Das ist insbesondere bei Übernahmesituationen häufig der Fall.
Grundsätzlich solltest du dich immer so entscheiden, dass du daraus für dich den größten Vorteil ziehst.